[1997]
Ich nehme wiedermal den Spiess in Munde.
Der Broadway hat wiedereinmal,
aus Schmutz und Dreck
in goldene Touristenhotels
die Zeit doch nicht verschlungen.
[5. Januar 1997]
Du willst mich heiraten,
Du willst eine Jüdin werden?
Wie soll ich das erlauben:
Du willst nach Auschwitz fahren?
Das Rabbinat erlaubt es, ich doch nicht:
Du kannst auch dahin kommen,
als Bundesdeutsche Passagierin!
Dazu brauchst Du keine Jüdin werden.
Na, und wegen der Verheiratung —
Die Züge fahren leere Fracht,
von sich alleine
mit zu-grossen Verspätigungen —
und kommen sichtbar sauber
sausend, wenn wir nicht da sind
vorbei an uns bei der Station
(wo wir auf sie so nicht begehrlich — wirklich — warten).
Ich muss da dauernd immer wieder
unter-Decken
um meine sogenannte Arbeit
mit dem sogenannten stumpfen Beile
zu durchbrechen.
Und Heirats-Schluss mit Rassenkuss
im viertgenannten Deutschen Reiche
ist ein Problem, das man gerichtlich
und gesetzlich untersuchen muss,
obwohl Ver-Ehlichung
mit noch vielzähligen New Yorker Jüdinnen
in deren eignem Auschwitz-Heim Amerika
sogar Verrat am Judentum
mir scheinbar stellen könnte.
Und Heim-Machung mit Dir
in dieser kurz-frankierten Welt,
mir noch des argen Adolf-Alters
kinderkurze Hose
bei dessen Stichpunkt,
mir zerfetzen möge.
[2. Februar 1997]
Die uniformierte Konkurrenz
macht Stich-Konzert
mit Säbeln — abgehobelt worden.
Mit Wanderns Wüsten-Stäben in den Händen,
um uns da mit den stumpfen
Schuhesohlen abzumetzeln.
Und danach stehen sie noch auf der Bühne
wie eingefrorne Pfirsichkerne
und haben Angst vor Heben
ihrer umsichtlich gefährlichen Gewehre
gegen uns, das schame
Zuschau-tum.
Versteinert sind sie, die historischen Marionetten
vor grellem Totschlag, gegen uns.
Und Bühnenlicht verlischt
stillschweigend doch volldenkend
teilsgedenkend.
Wer sind sie denn die Greise,
die ich da vermute,
in den chinesisch ob japanisch
antiquitistischen
zerzerrten
Teufelsmasken.
[19. Februar 1997]
Schliesslich am Abend
schreien die Geigen
am blauen Abend.
Rom ist verblutet
im Kolisseum.
Russland gefangen:
im
Schweine-Sülzen.
Männliche Wikings
im Grunde des Meeres
graben für sich
Massen
Herbergen.
Amerikaner:
wie Flöhe
entfliegen
auf den
verstreiften
Buchenwald Dora
Wernherr von Braunen
Ding-dong Raketen
Einstein und ich
umklammern die Wiege
die sich gefährlich schaukelt
schauen mit letzterem
gelb-sternen Auge
Fernsehreporte:
und wie
sich steif in der Umarmung
die starren Hauptquartiere-Wolkenkratzer von New York
sich freudesgierig,
  sich zertanzen.
[29. März 1997]
Wie überhaupt DAS OBERHAUPT
die Macherei
die angeknüpft
Schikanerei
ruhmreich — Noblesse
DAS ALTERTUM
behexen will
Und wie warum ...
an Bettesseite
sich knieend vor der Eingeweihten
der Jungfer
die vielleicht keine Jungfer sei —
Sie, ausgemetzelt
glücklich doch!
(Das Opfer sein?)
Bildschön
ein wenig müde
in den dunkelgelben Haaren, schon genesend
stets — (für die Ewigkeit)
in dem schneeweiss verschneetem Bette
lagert
Statt diese Ruhe anzusprechen
nur wortgemässig
Sie heiligst
auf die Stirne küsst
und Letztere
des Ghettos Druck, des trocknen Kusses seiner Lippen
an des Umzinglung, vor dem Schiessen
zuckt —
stillschweigend und bejahend annimmt
von Dem
in schwerer Stunde
Sie verlassen hat
und ihn
kurzfristig in dem Rausche
mit grossem Glück so heiss pulsiert —
begnaden tut
Starrsinnig so.
Und unverdient.
Verhextem.
[25. April 1997]
Links. Rechts.
— Nichts.
Zwischen ZWEIEN
ALBANIEN.
Schritt-im-Tritt
VERWESEN-t-LICHT
angenommen / abgeschieden.
KAMPFFAHRZEUGE
mit den Roten HIMMELSSTERNEN
in den HAUFEN
stöhnen.
RUSSENMÄULE
mit CHINESEN drin
bringen Nahrung
ALBANESEN.
Wunderschön
ist das VERWESEN
sagen die SERIÖSEN.
ZWITSCHERN tun wir
MICKIMÄUSE:
LACHKRAMPF-ALBANESEN.
[20. Mai 1997 Woodstock]
Wo gibt es einen Gipfel
wo Schauer von der Menschheit
auf Felsenspitzen in Gebirgeshöhen,
die mit den Häuptern wie die Schlächter-Degen
in den Himmel stechen
nicht existiert?
In Meeresmitte?...sich über dem zerstörerischen Wasser,
wie ´ne Möve, leblang heuern?
Noch purer ist es hier, im Düsenflugzeug,
in ausgemerzter Stacheldrähte Hungersluft
die nix vergibt:
kurz vor dem Absturz durch die Bombe-Explosion.
[27. Mai 1997]
Wir leben, in der veralterten Villa, am Stadtesrand.
Der Garten ist sehr schön, verwachsen, herb, wie ich' s lieb hab.
Bäume, Sträucher über den Kopf; Grass — ungepflegtes.
Die Pfäde sind noch immer, beinahe gut zu finden.
Auch meine Mutter ist da.
Der Doktor kommt speziell von der Stadt mich besuchen.
Da gibt es, in einer dunklen Ecke, Küche oder gar Gerätekammer,
eine kleine Untersuchung: nichts Aussergewöhnliches.
Der Mediziner ist ein kleingewachsner Mann, unaggressiv, zurückhaltend;
kühl-überlegend in seiner Spezialität.
Ein lieber Herr, zu dem ich all Vertrauen habe. Wirklich human. Bescheiden.
Dann weist er meiner Mutter auf ein Glassgefäss, dass sie darin meinen abgeschnittenen Penis in Pflanzenöl einlege.
Das Gefäss scheint auch nicht zu sauber zu sein; wird nicht sterilisiert;
braucht es bestimmt nicht sein, Olivenöl aus fernem Lande, genügt dazu, muss ich vermuten.
Der Chirurg weist Mutter auf einen Holzgriff, das zum Geschirrwaschen gebraucht wird; sie soll den Penis damit in das Glass dreinkriegen, es mit dem Stiel hineinschlagen, so dass es vollwüchsig in das Öl gelangt; nachher den Deckel zuschrauben.
Die Mutter macht es nicht gut, scheut sich bestimmt davor, auf meinen Penis schlagen.
Ich nehme ihr den Griff aus der Hand, und tu´s allein. — Kein Problem. Mit leichtem ab und zu Hämmern, glitscht er rein. Fügt sich schon mal, demütig in die schmale transparente Tube. Ich fühle mich, so wie gewöhnlich, gut — und nun besonders ruhig und befriedigt.
[9. Juni 1997]
Und wenn die Stunde schlägt
die Wolken schrecken bei
auf Katzenbuckeln
der Häuschen Augen
brechen zu den Knieen,
und Zweige Winterbäume
klatschen dürren Händen
keinmal aufwiedersehen —
der Schnee begleitet winselnd zitternd
des Grössten der Poeten Epopäe.
[10. Juni 1997]
Ich versuche so gut wie möglich
aus meinem Mistkasten heraus
das Gericht für mich zu kochen
Es ist ja Pflicht, dem seelig Getto-Gott,
die Knochen schön erhalten
Der demokratisch-Freiheitskörper
muss laut Gefangensein-Gebot,
für immer, wenn auch kurze Zeit —
falls in der Laune nur,
spick-span wie die Pop-art,
in meiner Badewanne
doch getunken werden
Die Haut, das Bild
worauf das Leben Schläge konstruktiert
muss raffiniert
danach von Schwitz, geschrubbert werden
Der Seele ist alldas nicht angenehm
denn sie besteht darauf — verschollen werden —
Woraus denn, ausser Futter, gährt das Alle— Grosse?
die Historie & Hysterie
und wahrhaft wahre Seeles Kunst?
Aus den gebrochenen Müllhaufen.
[22. Juni 1997]
Es sind da Puppen in dem Schnee
mit wächsernen bläulich—-osa
Gesichtern
Man kann sich da die Füsse brechen
in Weiss wie Meeresgrund, wie tief
besät, mit stolpernd Löchern
Die Leute da, sind gläubiger und stärker —
sie arbeiten
Und per Entschluss, entfliehe ich —
mit langsamen gewagten —
verschämten Schritten
Kein Wort der Rüge.
Auch von den zwei drei frommen Alten Bärten
Und ich verzichte auf ihren teuren, glänzend,
vollen Laib, des schwarzen Brots
Denn Hunger hab´ ich null
noch selbstlos Mut
doch höllisch folternd Frost
doch Appetit wie Schweinefleisch
entgegen mein persönliches Verwesen.
[28. Juni 1997]
Schon schneen schneegeballte Flocken
mit schlammen Fäusten
Und im Herz-Quartier
ist´s lahme Fische trocken
Der trügerische Wind
pfeift´s lügeseufzend
fehlgeschlagnes Liebeslied
gefällte Bäume, drum den Stacheldraht,
schreien zu Gott, verflickt, verleumdte Worte,
weshalb in ihres Fleisch genagelt
des Saujud Jesus Christi Stacheldorne
Der mürbe, durchlocht
Harter Stiefel
haut in die weisse Milchdunst Pfütze
so dass das trockne Blut nun — Feige!
Hoch! von der Stiefelsohle
in die böse Wolkendecke spritzt
Wo ist Das Gott
in welchem Schlund
wird Das gestapelt
[4. Juli 1997]
IM LAND DER MAYAS
specken
ALTE LÜGEN
und heimwärtsauf
BEFLECKEN
ALTE MEISTER
TRÜGEN
Aufstehendarf
MACHT ALTEN GEISTERN
DEN KRAVALL
UND KROKODILE
KLEINE KINDER
SCHLEICHEN SAND
AM MEERESSTRAND
DIE ALTEN GEISTER
ZUM WIEDERAUFSTAND IN DEN HIMMEL
ALS IHRE GEISEL
ABZUFÜHREN:
ACH WIE DIE KLEIDER
DÜRRER LÖCHER
DEN KLEIDUNGSSTÜCKEN
IN DIE LÖCHER HOPPEN
UND WEHEN FETZEN
von den Andromyden
IM STALLE VON DEN STERNEN
UND GESTREIFTEN BLUTEN
. . . UND LENIN´S
GRAD
DAHINTER IN DER FRAUMILCHS
VOLLMILCH BUSEN,
in dem bubblig
ARRARAT
im neblig ARMEN— SCHLEIER
von der kindelnd
WUT
IM KERNE
MUT?
[9. Juli 1997]
Die Zeit steht still, wenn man nichts tut:
leer — inhaltslos —
eingetötet alsob sie dann nicht wäre.
Im weisen Faulgenuss
scheint keine Uhr zu gehen.
Man gähnt
und zwitscht in wahrem Klugmut
auf die blöden Sterne.
Die rennt so blitze rasch, dass sie nicht ist
wenn man im Einzelkampfe Steine auf die Welten wirft,
so dass die Ewigkeit dadurch erregt
empört
erstarrt, so nicht mehr wirklich wäre —
Kapituliert.
[13. Juli 1997]
ES WIRD DA
AUS RAGUSA-STÜCKEN
GETROMMELT,
WIE RELIGION
ICH BITTE DICH:
NUR KEINE
NACKTEN-SERIE
NUR KEINE EINGEWEIHE-MISCHUNG
IM KARUSSELL
KEINE VORAUS-GEBETE.
[20. Juli 1997]
DIE NACHT-HEIMS-REITER
sind verstossen
auf der
SCHWARZ-NACHT-INSEL
Die jagen da die ZUKUNFTS-PINSEL
wie sie aus ihren RIECHE-LÖCHERN
auf schwarzen SCHEINE-PFERDEN
in die FEINDES-GROTTEN stechen
Die Jagd bleibt immer hoffnungslos —
Und wenn sie dann in ihre KLIMA— STÄLLE
NICHT-HEIM-KEHREN
so sind sie wenigstens erschöpft
und haben was erreicht
Dann strotzen in den Sinn
der SCHWARZEPFERDE
die geilen Jungfern
die sie auf ihrem UMSONST— RENNEN
nicht geschnappt —
in langen Serien der Hässlichkeit,
Trostlosigkeit des ÜBERABENDLANDES —
mit derer Kronen werter HAARE-PINSEL,
die man zum Griff
um MEISTERWERKE zu erschaffen —
nicht schleudern kann
Warum denn SPORTEN
diese TOTE-PFERDE-RENNEN
durch diese ENDES— GIERIG
düster NEU-LAND HOCH-TURM
tropfenden HEILÄNDER-STRASSEN —
Weil einzig und allein in dieser
WEISS-PFERD
TREIBER TRIEBER ABTREIBER und SCHIEBER
RÖMISCH METROPOLE
Endlösung-KRUMMER-REITER-RENNEN
dem guten Moses´Herrgott
Freude macht.

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